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TGM-Kanuten in Budapest – Die ”Nibelungenfahrt” 1939 und die Zigeunermusik

Seit Jahren war die Nibelungenfahrt auf der Donau Tradition. Auch im Juli 1939 fand sie wieder bei sehr gutem Wetter statt, darunter auch 10 Boote der TGM. Eine bunt zusammengewürfelte Mannschaft aus Einern und Zweiern traf sich in Passau. Ich hatte gerade geheiratat und konnte auf diese Weise meinen Hochzeitsurlaub verbringen. Das Kloster in Melk war der erste kulturelle Höhepunkt. Überwältigt von den Kostbarkeiten und der Bibliothek fuhren wir gemütlich weiter Donau abwärts nach Dürnstein, einer sehenswerten, historischen Stadt mit einer weithin sichtbaren Burg und einer prunkvoll ausgestatteten Kirche. Die Geschichte erzählt, daß hier der englische König Richard Löwenherz gefangen gehalten wurde. Er machte 1192 mit Gefolge eine Wallfahrt auf der Donau. Die Österreicher nahmen ihn dann bei Dürnstein gefangen und steckten ihn in´s Burgverließ. Für seine Freilassung wurde von England eine hohe Summe in Gold verlangt. Da man nicht in der Lage war, das Geld aufzubringen, mußte man befreundete Staaten um Hilfe bitten. Mit diesem immensen Betrag bauten die Österreicher verschiedeNächte verbrachten wir im Zelt, das wir überall aufstellen konnten. Das abendliche Lagerfeuer war gut für die Psyche. Kinder waren die einzigen, die sich für uns interressierten. Das Kloster in Melk war der nächste kulturelle Höhepunkt. Überwältigt von den Kostbarkeiten und der Bibliothek fuhren wir weiter gegen Wien.

Wien empfing uns mit schönem Wetter, seinen Sehenswürdigkeiten und dem Oberbürgermeister, der für die Kanuten der Nibelungenfahrt einen offiziellen Empfang im festlich geschmückten Rathaussaal gab.

Dann besichtigten wir die alte Kaiserstadt mit dem Stephansdom und dem Schloß Schönbrunn. Natürlich konnten wir uns auch einem Glas Wein in Grinzing nicht verschließen, obwohl unsere Finanzen keine grossen Sprünge erlaubten.

Dann ging es weiter Richtung Budapest. Als wir am Abend bei Pressburg (Bratislawa) einen Zeltplatz suchten, sahen wir Kinder am Ufer in grobe Säcke gehüllt umherlaufen. Der Grund für dieses ”Sacklaufen” war bald klar, denn als wir am Ufer das Boot verließen, stürzte sich eine Wolke aus blutgierigen Mücken auf uns. Sie bevölkerten in Milliardenzahl das Ufer. Mit einem sofort gezündeten Feuer wurden die Biester vertrieben. Ein Gewitter in der Nacht reinigte dann den Luftraum.

Bei einer Mittagspause an einer Flußeinmündung, machte uns ein Bauer auf die Strudel an dieser Stelle aufmerksam. Meine Frau und ich stiegen als letzte in unseren Zweier, nachdem wir die ganze Gruppe bei der Bewältigung des Strudels beobachtet hatten. Wir versuchten hoch am Ufer vorbeizukommen, schafften es aber nicht. Wie von Geisterhand wurde unser Boot, immerhin ein breiter Zweier, gepackt, stellte sich senkrecht auf und wurde nach unten gezogen. Erst nach Grundberührung wurde ich wieder an die Oberfläche gespült. Wenig später kam der Zweier hochgeschossen und endlich auch meine junge Frau. Unsere gesamte Ausrüstung – gottseidank in Gummisäcken verstaut – schwamm weit verstreut auf dem Fluß. Zufällig anwesende Fischer halfen uns, alles wieder einzusammeln. Der Schreck saß tief. Doch wir mußten weiter, den anderen, die schon voraus waren, folgen. Den Grenzübergang nach Ungarn konnten wir ohne Probleme passieren, wir waren willkommene Gäste. Entlang der Pusta paddelten wir weiter bis nach Budapest, unserem Ziel. Auf der Margareten Insel schlugen wir unsere Zelte auf – heute undenkbar!

Am nächsten Tag war Stadtbesichtigung. Fasziniert von den alten, einmalig schönen Bauten, wie z. B. dem Parlament und der Fischerbastei – die mich als Architekt ganz besonders interressierten – konnten wir uns auch dem touristischen Budapest nicht entziehen. Für uns war das mit dem Begriff ”Zigeunermusik” verbunden. So beschlossen wir, am Abend ein entsprechendes Lokal aufzusuchen. Gespannt und erwartungsvoll marschierten wir von der Margareten Insel in die Stadt. Wir hatten dafür die beste Kleidung angezogen, die wir besaßen. Die Männer hatten nur eine kurze Hose und dazu ein weißes Hemd, natürlich ohne Krawatte. Die Mädels trugen, die damals üblichen Dirndlkleider. In der Innenstadt fanden wir schnell ein großes Lokal, aus dem der Klang schluchzender Geigen zu hören war. Sofort war ein großer Tisch gefunden. Erwartungsvoll lauschten wir den Klängen, als auch schon der Kellner kam. Aber anstatt uns zu fragen, was wir trinken wollen, reichte er uns auf einem Tablett einen Zettel mit dem für uns folgenschweren Inhalt: ”Da Sie eine für dieses Lokal unangemessene Kleidung tragen, werden Sie gebeten, dieses umgehend zu verlassen”! Mit unserem Einwand hatten wir bei dem Kellner und dem Chef des Hauses keinerlei Erfolg. Schweren Herzens und verärgert verließen wir das Lokal und hörten draußen vor der Türe noch eine Weile der für uns so fremdartigen Musik zu.

Mit dem Schiff fuhren wir auf der Donau zurück nach Wien, was mit unseren abgebauten Faltbooten gar kein Problem war. Weiter ging es dann mit dem Zug nach München. Trotz der Panne mit der Zigeunermusik war die Fahrt für alle ein einmaliges Erlebnis. Für meine Frau und mich natürlich besonders, denn wir waren über die glimpflich ausgegangene Kenterung außerordentlich glücklich. Das Ende hätte schlimmer sein können. Gerne denke ich noch heute an diese, für mich so ereignisreiche Nibelungenfahrt zurück.

Heini Laubenstein