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Die Belange der Sicherheit im Kanu- Sport

Ist Kanusport gefährlich?

Gerne beantworten wir eine solche Frage mit “nein”. Das sollten wir aber etwas relativieren, denn unser Kanusport ist eine Natursportart, und damit den Elementen Wasser und Wetter ausgeliefert. Wir messen uns mit den Kräften der Natur. Das birgt gewisse Risiken, die wir ständig im Auge behalten müssen. Die Einstellung hierauf ist der TGM bisher recht gut gelungen.

Über Jahrzehnte wurde unser Verein von ernsthaften Unfällen verschont. Bei uns galt schon immer das Motto: “Im Zweifelsfalle “nein”, d.h. lieber umtragen. Es gibt kein Draufgängertum in der TGM, falsch verstandener Mut ist nicht populär. Und das hat bereits lange Tradition.

Die Sicherheitsbedürfnisse

Die ursprünglich vom Rennsport auf flachen Wassern sowie etwas Wandersport geprägte TGM entwickelte mit dem Einstieg in den Wildwassersport auch Sicherheitsbedürfnisse. Das war Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre. Die Anfänge in Badehose und Klepperjacke waren hart. Kenterungen wurden mit blauen Flecken sowie davonschwimmenden Booten und Badeschuhen quittiert. Zuerst wurde der Handlungsbedarf bei den Wildwasser-Rennsportlern um Rudi Grünberg erkannt und wenigstens ein Fahrradhelm aufgesetzt.

Mitte der 60er Jahre war der Wildwasserfreizeitsport in der TGM bereits etabliert und wir sorgten mühevoll für die Verbesserung der Sicherheit. Eishockey-Schutzhelme und einfache Schwimmwesten brachten Körperschutz, vom Tauchsport wurden Wärmeschutzanzüge übernommen und erste Wurfseile brachten Unterstützung bei aktiver Kameradenhilfe. Unsere Mitglieder nutzten gerne verbesserte und damit noch sicherere Ausrüstung. Um dies zu erreichen, wurde auch bei Entwicklungs- und Testaufgaben mitgearbeitet. Um konsequente An-wendung haben wir stets geworben.

Zwei Paddler mit moderner Sicherheitsausrüstung, wie Helm, Neoprenkleidung und Schwimmweste.

Die Bootsausrüstung

Im Falle einer Kenterung erhielt die Unsinkbarkeit des Bootes besondere Bedeutung. Je weniger Wasser eindringt, desto leichter läßt es sich bergen. Anfänglich waren kleine Spitzenbeutel mit 10 Ltr. Luftvolumen schon eine Verbesserung, ebenso die in die Bootshaut integrierten Luftschläuche der Klepper-Faltboote. Das aber reicht nicht für Wildwasserboote. Heute füllen Auftriebskörper möglichst das ganze Bootsvolumen von 200-300 Litern.

Die ersten Boote aus glasfaserverstärktem Polyester kamen 1959 auf, die Firmen Klepper und Baschin revolutionierten den Kajakbau. Die Wildwasserboote wurden stabiler und hielten meist auch härteren Felsberührungen stand. Trotzdem war nach dem Wochenende oftmals mühevolles Flicken angesagt, was wir aber selber machen konnten. Diese Boote waren steif, formstabil und damit sicher. Eine neue Ära im Bootsbau begann 1980. Das neue Material Polyäthylen startete seinen Siegeszug bei Tourenbooten. Die Firma Prijon brachte den 4 m langen “Taifun”. Er wurde in einer Form geblasen und inzwischen zur Legende.

Heute sind Wildwasserboote kürzer, 2,3 – 3,0 m in der Regel, damit auch formstabiler. Große Luken, bequeme Prallplatten als Fußstützen sowie feste Schlaufen an den Bootsenden sorgen für die passive Sicherheit des Fahrers.

Die Rettung vom Ufer aus sollte zuerst mit dem Rettungssack versucht werden, der – ähnlich einem Fallschirm so präpariert sein muß, daß er über eine große Strecke präzise fliegt und den zu rettenden erreicht.

Der Bootstransport

Er ist für die Ausübung unseres Sports ein unvermeidbares Übel. Das Thema Sicherheit wird dabei leider oft klein geschrieben. Die anfänglich einfachen Dachgepäckträger der Autos sind zwar längst durch moderne Bügelträger ersetzt, die Befestigung mit Gurten oder inzwischen verbotenen Schnüren bleibt aber ein Risikopunkt. Dieses zu minimieren heißt, vernünftig und mit angemessenem Tempo – nicht über 100 km/h – das Fahrzeug zu steuern und in Kurven die enormen Fliehräfte einzukalkulieren. Freuen wir uns über bisher ausgebliebene Unfälle, die das bewußt gemacht hätten.

Nur wenn der Rettungssack versagt, geht ein Helfer in´s Wasser, natürlich gesichert.

Die persönliche Ausrüstung des Paddlers

Nur aufgabengerechte Sportkleidung sichert uns Gesundheit und Wohlbefinden. Unsere Wildbäche sind besonders kalt, die Nässe und alpine Temperaturbereiche lassen uns oft frieren. Paddler haben sich zwar schon immer mit Regenkleidung und Spritzdecke gegen die Wetterunbill geschützt, im geschlossenen Boot ist es dann bekanntlich mollig warm, aber ausreichend war das so noch nicht.

Wir betrieben immer mehr Wildwassersport und mußten häufiger mit Kenterungen leben. Wir brauchten Schutzkleidung. Von Tauchern und Windsurfern begannen wir ab Mitte der 60er Jahre kanusporttaugliche Wärmeschutzkleidung zu übernehmen. Heute bietet die Sportindustrie gute und sichere kanuspezifische Ausrüstung. Mit moderner Fleeceunterwäsche ergänzt, braucht auch auf langen Touren niemand mehr zu frieren.

Der Kopfschutz ist leider immer noch ein Sorgenkind. Kajakhelme müssen nicht nur stabil, sondern auch schwimmfähig sein. Seit Anfang der 70er Jahre gibt es Spezialentwicklungen, doch Paßform und Anpassungsfähigkeit lassen bis heute Wünsche offen. 1976 formierte sich beim Alpinen Kajak Club um Hans Ritter, Max Drexler und Holger Machatschek ein Teil eines internationalen Sicherheitskreises, in dem auch TGM´ler mitarbeiteten. Zum Beispiel testeten Gerhard Benker und ich 1977 nicht nur die Helme, sondern erreichten bei der Industrie auch Produktverbesserungen.

Udo Stitzinger wurde u.a. zu Studienzwecken durch Strudel und Walzen gezogen. Parallel dazu habe ich die damaligen Schwimmwesten getestet. Die heutigen Modelle mit ihren leuchtenden Farben und einem Bergegurt sind ausgereift, mit den damaligen Produkten nicht mehr vergleichbar.

Der Wurfsack wurde ein fester Bestandteil unserer Ausrüstung. Schon Ende der 60er Jahre sorgte Udo nicht nur für die Verfügbarkeit schwimmfähiger gelber Rettungsseile, sondern auch für ihre konsequente Anwendung im Boot. Später modifizierten wir die ersten vom AKC entworfenen Wurfsäcke. Mit ihrem 20m-Seil waren diese bahnbrechend und ihrer Zeit voraus. Hanni Siepmann nähte viele solcher runden Tellersäcke mit eingebautem Hartgummiring.Mancher ist bis heute erfolgreich im Einsatz. Ich konzipierte 1977 eine schlanke Konische Form, deren Prototypen ebenfalls Hanni nähte. Nach überzeugenden Flug- und Wurfdemonstrationen brachte Firma Finsterwalder diese tatsächlich auf den Markt. Solche Bauformen beherrschen bis heute den Markt.

Der Sicherheitskreis im DKV formierte sich ab 1984 um Werner Schmidt und Hermann Siebold aus dem BKV. Von da an wurden die Tests professionell und technisch optimiert durchgeführt. Bahnbrechende Erkenntnisse z.B. zur Schwimmwestenausstattung, zu Bergesystemen und deren Anwendung, auch zum Bootstransport und vielem anderen bestimmen bis heute unser Handeln. Jetzt können wir Kanusport sehr sicher betreiben, wenn wir alle Kenntnisse verläßlich anwenden.

Die verschiedenen Bootstypen, alle mit Sicherheitshandgriff an Bug und Heck zur sicheren Bergung.

Das Verhalten am Fluß

Maßgebend ist unser Verhalten im Team, denn wir fahren nie allein. Wir wissen in der TGM, daß wir uns aufeinander verlassen können, daß jeder für jeden ins kalte Wasser springt. Das prägte unser ganzes Leben.

Wir lernten, nicht gegen das Wasser und seine Strömungen zu arbeiten, sondern diese auszunutzen. Der Bessere fährt vor, der Schwächere nach und der erhält eine verläßliche Zeichengabe, das ist unser Erfolgsrezept.

Anschauen und Absichern ist unsere Devise. Beim Hilfseinsatz gilt “Mann vor Material”. Wir haben dabei auch keinen Mangel an Vorbildern in der TGM. So haben z.B. Udo Stitzinger und Ernst Kaltenbach nie eine “geht schon”- Mentalität geduldet, sondern korrekte Ausrüstung und sicheres Verhalten durchgesetzt. Mit prägendem Erfolg.

Die Schulung in der TGM

Anfänglich war es die Schule des Lebens, gesammelte Erfahrung.

Es war die Anleitung durch erfahrenere Kameraden, die zu sicherem und unfallfreiem Verhalten führte. Erst ab Mitte der 80er Jahre wurden unsere Übungleiter beim BKV mit besonderem Augenmerk auf Sicherheit ausgebildet. Im letzten Jahrzehnt wurde das Wissen konsequent in die TGM – Schulungen eingebracht, für Nachwuchs und Kanusportanfänger. Ich selbst arbeite im BKV-Lehrteam mit und gebe Sicherheitskurse in der TGM, aber auch externen Partnern wie dem Kreisjugendring, Schülergruppen und Erlebnispädagogen. Diese zielgerichteten Aktivitäten der TGM werden unserem Verein einen hohen Sicherheitsstand erhalten.

Die TGM hat die Entwicklung “Sicherheit im Kanusport” miterlebt und mitgestaltet.

Als der Wildwassersport aufkam, waren wir von Anfang an aktiv dabei. Neben der Sportausübung haben auch einige unserer Mitglieder ehrenamtlich an Entwicklung und Test der Kanu- Ausrüstung mitgewirkt. Das hat nicht nur Erfahrungen vertieft, sondern bis heute zur Zusammenarbeit und Partnerschaft mit den Boots- und Ausrüstungsherstellern, z.B. den Firmen ESKIMO und Prijon geführt.

Wir haben in der TGM ein ausgeprägtes Sicherheitsbewußtsein und wollen unser Wissen auch konsequent anwenden. Die immer besser werdende Ausrüstung darf uns nicht verleiten, mehr Risiken einzugehen. Nachlässigkeit könnte schnell das erreichte Niveau senken und Unfallgefahren heraufbeschwören. Hier dürfen wir nicht nachlassen, Wissen und Bewußtsein immer wieder zu schärfen. Gewässerkunde und Gefahrenkunde gehören dazu, wie praktische Anwendungen von Retten und Bergen.

Wir wissen es ja, Sicherheit beim Bootfahren erhalten wir uns nur durch ständiges Üben, Üben, Üben……..

Eine unfallfreie Zukunft wird hoffentlich der Lohn sein. Kanusport kann eben doch sicher sein.

Gert Molewski