Die Bedeutung des Sports für den Menschen in der zweiten Lebenshälfte – speziell der Kanusport
Meine Ausführungen zur Bedeutung des Sports für die Gesundheit des Menschen, unter besonderer Berücksichtigung der zweiten Lebenshälfte, haben nur bedingt etwas mit der ruhmreichen Geschichte des Kanu Club Turngemeinde München zu tun. Da ich selbst seit meinem Vereinseintritt 1952 rund 25 Jahre lang Kanu-Wettkampfsport betrieben und dabei einen fließenden und konsequenten Übergang vom Leistungssport zu den etwas lockereren Starts in den Altersklassen I – III praktiziert und anschließend weiterhin Kanu- und Skisport betrieben habe, kann ich mich in meinem Beitrag auf eigene praktische Erfahrung stützen.
Wenn ein Zusammenhang zwischen körperlicher und geistiger Inaktivität und dem physiologisch bedingten Schwinden der Leistungsfähigkeit im Alter besteht, dann ist Sport ”das beste Mittel, um mehr oder weniger gesund zu altern”.
Auch wenn die pharmazeutische Werbung etwas anderes sagt, so ist es nicht möglich, mit Geriatrika (das sind Arzneimittel für die zweite Lebenshälfte) allein den Alterungsprozess wirksam zu verlangsamen. Für den praktisch tätigen Geriater ist die Verordnung einer richtig dosierten sportlichen Aktivität – welche wird später noch eingehend erläutert – genauso wichtig, wie die, notwendiger Arzneimittel gegen altersbedingte Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck, Herz-Kreislaufbeschwerden etc.
Lange bevor man sich mit dem sogenannten therapeutischen Sport unter ärztlicher Überwachung in den Rehabilitationskliniken be-schäftigt hat, zählte die Bewegungstherapie im Sinne eines Bewegungssportes zu den Grundsäulen der klassischen Naturheilverfahren. Am bekanntesten ist die Kneipp-Therapie, die zwischen-zeitlich auch von der Schulmedizin akzeptiert wird, weil sie nicht nur präventive, sondern auch überzeugend kurative (heilende) Effekte vorweisen kann. Die Kneipp-Kur, bzw. die klassischen Naturheilverfahren bestehen aus folgenden 5 Säulen:
1. Bewegungstherapie, verbunden mit dem Erlernen einer richtigen Atemtechnik. Von Sebastian Kneipp (1821 – 1897) wurde frühzeitig erkannt, daß Bewegungsmangel krank machen kann und er verordnete seinen Patienten längeres Wandern, Radfahren, Schwimmen und eine tägliche Gymnastik von mindestens 30 Minuten.
2. Ernährungstherapie. Darunter wird eine Bevorzugung der Vollwertkost, bzw. eine Mischkost aus rund 470 g Kohlenhydrate, 100 g Eiweiß und 60 g Fett pro Tag (ca. 2900 kcal) verstanden, sowie eine ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen, vor allem mit den Radikalfängern Vitamin C und E.
3. Hydrotherapie, das heißt, die Behandlung mit kaltem und heißem Wasser, welche zum Ziel hat, durch Kältereize das Immunsystem zu stimmulieren. Die aktivierende Beeinflussung des Immunsystems kann sowohl als vorbeugende Maßnahme sinnvoll sein, als auch als kurative therapeutische Strategie, z. B. um eine Erkältungskrankheit nicht voll ”ausbrechen” zu lassen, oder diese abzukürzen.
4. Phytotherapie, das heißt die präventive und kurative Behandlung mit pflanzlichen Arzneimitteln vorzunehmen, wobei auf chemisch-synthetische Produkte bei akuten und schweren Erkrankungen selbstverständlich nicht verzichtet werden soll / darf.
5. Ordnungstherapie, damit ist ein geordneter Wechsel bzw. ein überlegter Rhytmus zwischen Aktivität und nachfolgenden Ruhezeiten gemeint. Man spricht von Chronobiologie des Menschen und meint damit nicht nur die hormonellen Rhythmen im menschlichen Körper, sondern auch ein ausgeglichenes Verhältnis von Schlaf und Wachsein, Leistung und Erholung – sehr wichtig für die richtige Dosierung der sportlichen Aktivität! – Verzehr kleiner Mengen an Nahrung über den Tag verteilt usw.
Zur Nichtbefolgung seiner 5 Grundsäulen einer natürlichen Therapiestrategie sagt Kneipp folgendes:
”Wenn die Menschen nur halbwegs soviel Sorgfalt darauf verwenden würden, sich gesund zu halten, wie sie unbewußt Mühe darauf verwenden, krank zu werden – die Hälfte der Krankheiten bliebe ihnen erspart”
Dieses Zitat hat heute noch mehr Gültigkeit, als vor 100 Jahren.
Zurück zum Sport im Alter. Mit zunehmendem Alter verschlechtern sich alle leistungsbezogenen physiologischen Funktionen. Hiervon wird niemand verschont, wenngleich große, individuelle Differenzen zwischen kalendarischem und biologischem Alter im einzelnen auftreten. Zu erwarten sind im Zusammenhang damit ein verstärktes Auftreten von Krankheiten, zurückzuführen auf die Abnahme des Leistungsvermögens der einzelnen Funktionssysteme in unserem Körper, auf eine Reduzierung der Anpassung der einzelnen Organsysteme, auf Veränderung der äußeren und inneren Umwelt, sowie auf eine Verminderung der Widerstandskraft gegnüber schädlichen Einflüssen.
Ein regelmäßiges körperliches Training stellt für den alternden, wie den alten Menschen die wichtigste Möglichkeit zur Aufrechterhaltung seiner physischen und auch geistigen Möglichkeiten dar. Für die Erhaltung bzw, Wiedergewinnung einer stabilen Gesundheit ist u. a. auch ein gewisses Krafttraining der Rumpfmuskeln als geeignete Präventivmaßnahme gegen häufig auftretende Rücken- oder Kreuzschmerzen zu empfehlen. Hierzu bietet sich das Kanuwandern während der warmen Jahreszeit an. An erster Stelle steht natürlich ein ausdauerakzentuiertes und den ganzen Körper umfassendes Training. Ausdauersportarten können wesentlich zur Erhaltung / Verbesserung der kardiozirkulatorischen, respiratorischen und metabolischen Funktionen beitragen. Geeignet sind – je nach der individuellen Konstitution und Kondition – längere Spaziergänge, ganz- oder halbtägiges Bergwandern, Waldläufe von etwa 1 Stunde Dauer, halbstündiges Schwimmen, Radfahren über mindestens 40 km und last, but not least das Kanuwandern und besonders das Befahren nicht zu schwieriger Wildwasser. Bezüglich der bindegewebigen Strukturen ist es vorteilhaft, eine tägliche Gymnastik zu integrieren.
Von ganz besonderer Bedeutung ist der Einfluß der Ausdauersportarten auf das Immunsystem. Während reines Krafttraining eher eine Unterdrückung (Supression) der körpereigenen Abwehrkräfte zur Folge haben kann, wird das Immunsystem nachweisbar durch Ausdauersportarten stimmuliert. Ausdauersportler sind, sofern nicht übertrainiert, gegenüber reinen Kraftsportlern weniger anfällig gegen banale Infekte.
Auch wenn beim Kanuwandern kein, den gesamten Körper umfassendes Training stattfindet, , wie etwa beim forcierten Radfahren, so zählt der Kanusport trotzdem zu den sehr empfehlenswerten Ausdauersportarten. Das Kanuwandern bietet aber auch Vorteile, die mehr im mentalen Bereich, in der Ruhe und in der Freude an der Natur liegen. Es gibt kaum etwas schöneres, als im Boot durch unberührte Landschaft zu gleiten, die Stille zu genießen.
Beim Wildwasserfahren werden zusätzlich das Reaktions- und Koordinationsverhalten, sowie die Geschicklichkeit trainiert. Fähigkeiten, die beim älter werdenden Menschen abnehmen.
Deswegen ist auch der Skilanglauf als klassische Ausdauersportart im gleichen Sinne sehr geeignet, vor allem, weil hier der ganze Körper beansprucht wird. Ebenso der Skilauf, vorzugsweise in Form von Skitouren, weil in besonderem Maß auch das Gleichgewichtsgefühl trainiert wird.
Abschließend möchte ich noch einen wichtigen Rat vortragen:
Es müssen in jedem einzelnen Fall die Intensität, die Dauer, die Häufigkeit, die Sportart sowie der Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Sportart individuell abgestimmt und vor allem bestehende Erkrankungen, sowie Funktionseinschränkungen mitberücksichtigt werden. Ferner gilt, daß nicht nur im Leistungssport ein konsequentes Training und eine systematische Vorbereitung notwendig sind, sondern genauso im Breitensport, insbesondere wenn der in der zweiten Lebenshälfte durchgeführt wird.
Und zum Schluß noch ein beruhigender Satz für meine ”Altersgenossen” von Lessing:
”Alter: Du bist zwar alt an Jahren, aber blühend ist Dein Geist” !
Denn wie sagten bereits die alten Römer:
”mens sana in corpore sano” was soviel heißt wie:
”Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper”, und um den zu erhalten, sollte man das Sport- und Kulturprogramm der kanu- und radfahrenden, bergwandernden, skifahrenden, langlaufenden aber auch schafkopfenden ”Senioren Gruppe” der Turngemeinde München wahrnehmen.
Dazu muß man sich nur ”aufraffen” und vom breiten TGM-Angebot Gebrauch machen.
Erinnern wir uns, dosierter und regelmäßiger Sport ist die beste ”Altersmedizin”!
Prof. Dr. Heinz Schilcher